Ein Brief einer 85-jährigen Sternenfrau

Sie können sich gar nicht vorstellen wie sehr ich mich freue an Ihrem Himmels-Hobby! Am 13. August wurde ich 85 Jahre alt. Einer meiner drei Söhne hat mich gefragt, ob ich als Geschenk einmal auf dem Gurnigel die Sterne beobachten möchte. Er würde ein Mobility-Auto mieten.

Er habe gelesen, dass dort eine Sternen-Schau-Station entstehe. Ich selbst hatte noch nie davon gelesen oder gehört. Eine grössere Freude hätte mir der Toni nicht machen könne, natürlich freue ich mich auf dieses Erlebnis!

Ich bin eine ‘Sternenfrau’. Schon als kleines Mädchen wurde meine Seele tief berührt bei Geschichten über den Sternenhimmel. Als der Krieg ausbrach, musste mein Vater das Fenster in seiner Bastel-Boutique (in Münsingen) mit einem schwarzen Tuch absolut verdunkeln. Alles war während dieser Zeit stockdunkel, wenn meine Schwester und ich an Winter-Abenden in die Käserei mussten, um mit zwei Blech-Kannen fünf Liter Milch zu holen.

Wenn wir dann etwa gegen 19 Uhr abbogen ins kleine Weglein gegen unser Haus, stellten wir dort die Kannen auf den tief gefrorenen Schneeboden, rieben uns die Hände zum erwärmen und dann hoben wir ab, mit den Augen zum Sternenhimmel. Wir fingen an, diese funkelnden Lichtlein zu zählen. Es waren soooo viele! Der Vater, ein weiser Mann, hatte uns gesagt, das weisse Band sei die Milchstrasse, dieses Milchige seien alles Sterne die nicht gezählt werden könnten.

Jeweils nach einem Weilchen, so etwa bei dreissig oder siebenundvierzig sah eine von uns eine Sternschnuppe, das gab es viel öfter als heute. Dann rief sie: «Lue dert – 1» Und die Andere sagte dann: «Du bisch ä Chue, itze muesi wider vorne aafaa zeue !»

Jetzt lese ich also von der Möglichkeit, den Sternenhimmel auf mich einwirken lassen zu können. Das freut mich und ich vermute und befürchte, dass Tausende diesen Wunsch im Herzen haben und auf Ihre Werbung hin das Gurnigel-Gantrisch-Gebiet mit Auto-und Töff-Scheinwerferlicht bestreichen und auch mit Motorenlärm stören. Ich hoffe, das wird von Anfang an geregelt und nicht einfach der Freiheit des Willens der Menschen überlassen. Ich liebe nicht nur den Sternenhimmel, sondern auch die Nachtstille. Es gibt Elektrobusse, welche Leute bringen und eine Zeit später abholen könnten. Das wäre auch für Leute, die nicht weit nebenaus gehen können, wie ich.

Das sind so Gedanken von mir. Liebe Frau Dahinden, ich lege Ihnen nebst einem sternenverbundenen Gruss ein paar Fotos von Bildern bei, die ich schon fast im Alter selber gemalt hatte. Mögen Sie sich freuen daran – !

Der Brief bereitete uns viel Freude, und vor kurzem fragten wir die Frau, ob wir ihn veröffentlichen dürften. “Natürlich!”, war die Antwort. Mittlerweile war sie schon auf dem Gurnigel und hat die Sterne wie in ihrer Jugend bestaunt.